Frau Dr. Karin Junginger, Leitende OÄ Neurologische Fachklinik Ichenhausen
Nachlese
Für die meisten Menschen ist der Abend die Zeit der Entspannung. Sie machen es sich auf dem Sofa gemütlich oder kuscheln sich ins Bett. Bei sieben Prozent der Weltbevölkerung ist das anders. Sobald sie sich ausruhen, werden sie von unangenehmen Gefühlsstörungen in den Beinen geplagt. Sie haben das Restless-Legs-Syndrom, kurz RLS und auf Deutsch das Syndrom der unruhigen Beine. Was es damit auf sich hat, erläuterte Karin Junginger, leitende Oberärztin in der neurologischen Fachklinik Ichenhausen, in ihrem Vortrag am 6. April im Bistro Cubo Kaiserslautern. „Das Restless-Legs-Syndrom tritt typischerweise im Alter von 30 und 40 Jahren auf, bei familiären Formen auch schon früher. Wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer und das Risiko mit zunehmendem Alter steigt“, so die Fachärztin für Neurologie und Geriatrie.
Die Beschwerden äußern sich in einem Bewegungsdrang der Beine, der meist von weiteren Symptomen begleitet wird. „Bei manchen kommt ein Kribbeln, Ziehen oder Brennen dazu, andere sprechen von Jucken, Stechen und krampfartigen Schmerzen, teils auch von einem gestörten Hitze- und Kältegefühl.“
RLS erstreckt sich meist auf die Beine, einseitig oder alternierend, aber auch Arme, Hüften und sogar das Gesicht können betroffen sein. Wie stark sich die Beschwerden bemerkbar machen, ist individuell verschieden. Anfangs fallen sie in der Regel leicht aus und treten schubweise auf. Im Laufe der Zeit nehmen sie zu. Da die Symptome in erster Linie in Zeiten der Ruhe auftreten, vor allem abends und nachts, sind die Folgen erheblich. „RLS kann massive Schlafstörungen verursachen. Weil sich die Beschwerden bei Bewegung bessern, wandern die Betroffenen oft nachts herum und finden nur schwer in den Schlaf. Am nächsten Tag sind sie müde und erschöpft. Das wiederum beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit, führt zu Arbeitsausfällen und einem erhöhten Unfallrisiko. Nicht selten entwickeln die Patienten darüber eine Depression oder Angststörung, außerdem begünstigen Schlafstörungen Bluthochdruck“, erklärte die Medizinerin. Zudem wirkt sich RLS belastend auf Alltagssituationen aus, indem es Unternehmungen, die mit längerem Sitzen oder Liegen verbunden sind, nahezu unmöglich macht. Vom Kinobesuch bis zur Reise.
Das Restless-Legs-Syndrom wird in zwei Gruppen unterteilt. Häufig ist es eine eigenständige Krankheit, primäres oder ideopathisches RLS genannt, deren Ursache unklar ist. Eine mögliche Verbindung besteht in einem Eisenmangel im Gehirn. Es kann aber auch Symptom einer anderen Erkrankung sein (sekundäres RLS), wie Niereninsuffizienz, Diabetes, Polyneuropathie, Multiple Sklerose und Parkinson. Ausgelöst werden kann es auch durch eine Schwangerschaft oder von Medikamenten (z. B. L-Thyroxin, Neuroleptika, Antidepressiva).
Für die Diagnostik sind zum einen die typischen Symptome wichtig, zum anderen geben Blutwerte und Zusatzuntersuchungen Auskunft, ob eine Grunderkrankung im Zusammenhang mit RLS steht.
Im Vordergrund der Behandlung steht die spezifische medikamentöse Therapie. Patienten mit der primären Form des Restless-Legs-Syndroms sprechen meist auf eine dopaminerge Therapie an. Dabei handelt es sich um L-Dopa Präparate oder sogenannte Dopaminagonisten, die auch bei Parkinson verabreicht werden. Begonnen werden sollte mit der niedrigsten wirksamen Dosis. Bei Schmerzen können Opioide oder Antikonvulsiva eingesetzt werden. Liegt eine sekundäre Form des Restless-Legs-Syndroms vor, lassen sich die Symptome lindern oder ausmerzen, wenn die Grunderkrankung behandelt wird.
Kritisch werde es, wenn es zur Augmentation kommt, so Junginger. Das heißt, wenn sich unter der medikamentösen Behandlung die Beschwerden zuerst bessern, dann aber verschlechtern, sich von den Beinen auf andere Körperteile ausbreiten oder in kürzen Intervallen auftreten. In schweren Fällen werde ein Wechsel des Medikaments oder eine Kombination von Präparaten empfohlen.