Prof. Dr. Rüdiger Hilker-Roggendorf, Chefarzt, Klinikum Vest, Paracelsus Klinik Marl
Nachlese
Parkinson und vegetatives Nervensystem
Parkinson-Krankheit und vegetatives Nervensystem – über dieses Thema referierte der Neurologe Prof. Dr. Rüdiger Hilker-Roggendorf, der am 2. März unser Gast war. Er ist leitender Arzt am Klinikum Vest mit Standorten in Recklinghausen und Marl und Spezialist auf dem Gebiet von Parkinson. In seinem Vortrag gab er einen Überblick über die verschiedenen Begleiterscheinungen der Erkrankung und ihre Behandlung. „Parkinson zeigt sich nicht nur in Bewegungsstörungen, auch nicht-motorische Symptome beeinträchtigen die Lebensqualität“, eröffnete er seinen Vortrag. Dabei komme dem vegetativen Nervensystem eine zentrale Bedeutung zu. „Es lässt sich nicht völlig kontrollieren, sondern ist autonom.“ Das Gehirn reguliert das Rückenmark und das wiederum reguliert die inneren Organe. „Ist das Gehirn durch die Parkinson-typischen Eiweißablagerungen beeinträchtigt, wirkt sich das aus. In Form von Schluckstörungen, verlangsamter Magenentleerung, starkem Speichelfluss und Verdauungsproblemen. Je nach Symptom können Medikamente, Funktionstraining oder entsprechende Ernährung Linderung oder Abhilfe schaffen.“
Einen besonderen Aspekt widmete Hilker-Roggendorf den Schmerzzuständen, über die etwa 80 Prozent aller Parkinson-Patienten klagen. Bei zehn Prozent sind sie sogar das erste Symptom. „Der Schmerz spielt sich vor allem in der unteren Wirbelsäule ab, aber auch im Schulter- und Nackenbereich, in der Hüfte und am Knie.“ Nicht alle Ärzte erkundigten sich nach eventuellen Schmerzen, deshalb sei es wichtig, das Thema selbst anzusprechen. „Nur dann kann die Schmerzursache erfasst und behandelt werden, wobei die Gabe von Medikamenten immer mit Physiotherapie kombiniert wird.“
Krampfartige Schmerzen in den Zehen und Füßen, die nachts oder am frühen Morgen auftreten, sind durch einen Dopaminmangel bedingt. „Dann hilft nur, den Dopaminspiegel über Nacht nicht zu sehr zu senken. Indem vor dem Schlafengehen die Medikamentendosis erhöht wird oder nachts noch eine Tablette eingenommen wird.“ Die dritte Schmerzart ist neuropathischer Art und äußert sich meistens an den Füßen in einem elektrisierenden Brennen.
„Im Rahmen einer ganzheitlichen Behandlung muss der Patient mit seinen ganz eigenen Bedürfnissen wahrgenommen werden“, so der Mediziner. „Es gibt nicht die eine Therapie. Sie richtet sich immer nach den Phasen der Erkrankung aus und wird dem Verlauf angepasst.“ Nach der Erstdiagnose sind die Patienten gut zu beraten und an der Planung einer langfristigen Behandlungsstrategie zu beteiligen. „Denn sie müssen den Weg mittragen.“ Der Einsatz geeigneter Präparate wird für jeden individuell bestimmt. Ob L-Dopa von Anfang und in welcher Dosis verabreicht wird, ist eine individuelle Entscheidung und hängt nicht zuletzt auch von Alter, Beruf und Zusatzerkrankungen ab. Im Verlauf der Erkrankung treten oft Beschwerden auf, die gemeinsam mit anderen Fachdisziplinen behandelt werden sollten, um den vielen Gesichtern von Parkinson gerecht zu werden. „Das gilt auch für ältere Parkinson-Patienten, die häufig noch internistische Krankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes oder Nierenschwäche mitbringen. Dann ist es wichtig, mit Internisten oder speziellen Altersmedizinern zu kooperieren.“
Zur Behandlung von Parkinson und Kontrolle der Symptome stehen heute wirksame Medikamente zur Verfügung. Daneben spielen Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie und sportliche Betätigung eine wichtige Rolle. So soll einer Studie zufolge, regelmäßiges Nordic Walking (zwei bis dreimal pro Woche 60 bis 90 Minuten) bereits nach 12 Wochen einen Effekt wie Medikamente haben.
In der sogenannten „Multimodalen Komplexbehandlung“ sind alle Therapien zusammengefasst. Sie erfolgt stationär und ermöglicht Parkinson-Patienten über mindestens zwei Wochen eine intensive Behandlung. Die Kosten werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen.
Patienten mit schweren motorischen Symptomen oder starken Wirkungsschwankungen können die Medikamentenpumpen helfen. Reichen konservative Behandlungsmaßnahmen nicht mehr aus, gibt es die Möglichkeit einer Hirnoperation. Die sogenannte Tiefe Hirnstimulation wird an spezialisierten Zentren angeboten.
„Unabhängig von allen Therapien spielt es eine große Rolle, welche Haltung die Patienten der Krankheit gegenüber haben. Je besser sie die Erkrankung verstehen, handhaben und akzeptieren, desto mehr profitiert die Lebensqualität davon.“
Das PDF mit der Präsentation von Prof. Dr. Rüdiger Hilker-Roggendorf und einige Bilder von der Veranstaltung finden Sie nachfolgend.