Prof. Dr. med. Jochen Rädle, Chefarzt, Innere Medizin, Westpfalz-Klinikum GmbH, Kaiserslautern
Nachlese
„Etwa 65 Prozent der Parkinson-Patienten klagen über Magen-Darm-Störungen als Begleiterscheinung der Erkrankung“, sagte Professor Dr. Jochen Rädle bei seinem Vortrag am 1. Juni im Bistro Cubo und lieferte die Erklärung gleich mit. „Dopamin ist wichtig, um die Bewegungen im Körper zu steuern. Wird es nicht ausreichend gebildet, kann es seiner Funktion nicht mehr vollständig nachkommen. Das wirkt sich auch auf die Magen-Darm-Funktion aus.“
Zu den häufigsten Beschwerden zählen Verstopfung und Probleme mit der Stuhlentleerung aufgrund einer Trägheit des Dickdarms. Weiterhin kann es zu Sodbrennen, Übelkeit und Bauchschmerzen kommen. En spätes Symptom sind Schluckstörungen, die zu vermehrtem Speichelfluss führen, so der Chefarzt der Klinik für innere Medizin 3 am Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern.
Die Stuhlentleerung verschlechtert sich zudem durch Medikamente (z. B. Blutdrucksenker, Antidepressiva, Eisenpräparate und Parkinsonmedikamente), falsche Ernährung, zu geringe Flüssigkeitsaufnahme, Bewegungsmangel und Bauchmuskelschwäche.
Als Gegenmaßnahme rät der Internist zu ballaststoffreicher Kost, z. B. in Form von Obst, Gemüse, Haferflocken. Weißmehlprodukte, Reis, Süßigkeiten und fleischreiche Kost sind dagegen zu meiden. Hilfreich sind auch Leinsamen, Weizenkleie und indischer Flohsamen. „Dieser wird im Darm nicht zersetzt und kann vierzigfach Wasser binden. Am besten sollte er morgens mit Wasser oder Joghurt eingenommen werden. Allerdings dauert es zwei bis vier Wochen bis der Effekt spürbar wird, da sich der Darm erst daran gewöhnen muss.“
Auch osmotische Laxantien wirken abführend, indem sie Wasser aus der Darmwand ins Darmlumen ziehen. Stimulierende Laxantien regen die Aktivität der Darmmuskulatur an.
Grundsätzlich sollten sich Betroffene für die Mahlzeiten Zeit nehmen. Dabei kleinere Portionen über den Tag verteilen und jeden Bissen gründlich kauen. Das empfiehlt der Mediziner auch bei Schluckstörungen, die in weit fortgeschrittenen Stadien der Parkinson-Erkrankung auftreten können. „Sie haben zur Folge, dass Betroffene schon Probleme mit dem Schlucken von Tabletten haben, was wiederum die Wirksamkeit der Medikamente beeinflusst. Gemörsert lassen sich Tabletten zwar besser schlucken, allerdings ist das nur bei bestimmten möglich.“
Bei Schluckstörungen spielt hauptsächlich die Beschaffenheit der Nahrung eine Rolle. Faseriges Fleisch, körnige und harte Kost bereiten Probleme. Auch Mischkonsistenzen wie etwa Suppe mit Einlage sind schwierig zu schlucken. Eine Trennung unterschiedlicher Konsistenzen mindert das Risiko. Ratsam sind leicht verdauliche Speisen wie etwa Möhren, Kartoffeln und Kürbis. Auf Kohl und andere schwer verdauliche und blähende Lebensmittel sollte verzichtet werden.
„Übungen bei speziell ausgebildeten Logopäden können das Schlucken erleichtern. Sind die Schluckstörungen massiv, kann über einen Zeitraum von einigen Wochen eine Nährlösung injiziert werden. Entweder enteral mittels eines Schlauchs, der über die Nase in den Magen führt oder parenteral über die Vene. Bei dauerhaften schweren Schluckstörungen besteht die Möglichkeit einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie, kurz PEG genannt. Dabei wird eine Sonde von außen durch die Haut in den Magen gelegt. Über sie können dann auch Medikamente appliziert werden“, beschreibt der Internist. „Allerdings ist auch diese Methode nicht risikofrei. Es können innerhalb von 30 Tagen Blutungen auftreten, Infektionen sind nicht ausgeschlossen, die innere Magenplatte kann einwachsen und der Kunststoff der Sonde nach einigen Jahren schadhaft werden.“
Ähnlich funktioniere auch das Prinzip der Duodopa Pumpe, mit der sich massive Magen-Darm-Störungen umgehen lassen, so Rädle. Dabei wird der Wirkstoff in Gelform von einer Pumpe über eine Sonde direkt in den Dünndarm infundiert. „Durch die kontinuierliche Wirkstoffabgabe kommt es zu weniger Über- und Unterwirkung. Allerdings ist das Verfahren recht aufwändig. Deshalb wird bei den Patienten in einer etwa 12tägigen Testphase geprüft, ob sie tatsächlich davon profitieren.“