Referent: Dr. med. Thomas Vaterrodt, Chefarzt Neurologie, SHG-Kliniken Sonnenberg, 66119 Saarbrücken
Nachlese
Dr. Thomas Vaterrodt über Diagnostik von Schluckstörungen
Viele Parkinson-Patienten sind von Schluckstörungen (Dysphagien) betroffen. Was es mit ihnen auf sich hat und wie sie diagnostiziert werden, beleuchtete Dr. Thomas Vaterrodt, Chefarzt der Neurologie in den Saarbrücker SHG-Kliniken Sonnenberg, in seinem Vortrag am 7. März.
Zunächst warf er einen Blick auf den Schluckvorgang, der automatisch abläuft und sich nur wenig steuern lässt. Seine Aufgabe ist es, zerkaute Nahrung vom Mund in den Magen zu transportieren, wobei der Speichel für ihre Gleitfähigkeit sorgt. „Dazu muss sich der Speiseröhreneingang zeitgerecht öffnen. Die Öffnungsweite ist abhängig vom Eigengewicht der Nahrung, die von der Zunge nach hinten geschoben wird“, so der Mediziner. Am Schluckvorgang, der nur eine halbe bis eine Sekunde dauert, sind 30 Muskelpaare beteiligt, die aufeinander abgestimmt zusammenarbeiten. Auch die Kehlkopfhebung sei wichtig, um den Zugang zur Luftröhre zu verschließen. „Denn gelangt Essen in die Lunge, besteht die Gefahr einer Lungenentzündung.“ Dieses Risiko verstärke sich, wenn eine Dysphagie vorliegt. Darunter sei eine Beeinträchtigung bzw. ein Versagen des am Schluckvorgang beteiligten Bewegungsapparates zu verstehen. An ihr leiden 40 Prozent der Bewohner in Pflegeheimen, 55 Prozent der Schlaganfall-Patienten und 50 Prozent der Patienten mit Morbus Parkinson.
„Anzeichen einer Aspiration kleiner Partikel sind gurgelnde Atemgeräusche, eine raue Stimme, Husten nach dem Schlucken oder auch der Austritt von Nahrung aus dem Tracheostoma.“ Darauf müsse rechtzeitig geachtet werden, jedes Räuspern könne schon ein Hinweis sein. „Bei der Aspiration größerer Partikel verändert sich die Hautfarbe, wenn größere Nahrungsbrocken im Hals stecken bleiben.“
Darüber hinaus verwies Vaterrodt auf weitere Symptome: verstärkte Verschleimung, vermehrtes Husten und Räuspern, unklare, vorübergehende Temperaturerhöhung, Stimmveränderung, Kurzatmigkeit, Bronchitis, Lungenerkrankungen und -veränderungen, unvollständige, erschwerte oder verlangsamte Nahrungsaufnahme, Fremdkörpergefühl im Hals, Schmerzen beim Schlucken, Aufstoßen und Sodbrennen.
Die Ursachen können in einer muskulären Schwäche, Störungen in der Atem-Schluck-Koordination, pharyngolaryngealen Sensibilitätsstörungen oder strukturellen Behinderungen der Boluspassage begründet sein.
Zur klinischen Diagnostik stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Sie reichen vom Abhören der Lunge über eine Sensibilitätsprüfung im Mund- und Wangenbereich. Weiterhin gelte es, die Zungenkraft und -koordination, die Schutz- und Reinigungsfunktion von Lippen und Wangen, die Kiefermobilität, die Beweglichkeit des Gaumensegels sowie den Schluckreflex zu überprüfen.
Technische Untersuchungen können per Laryngoskopie, Videofluorskopie, Endoskopie und Ösophagus-Manometrie vorgenommen werden. Der Vorteil radiologischer Verfahren bestehe in der sichtbaren Darstellung des Schluckablaufs. So werde bei der Videoendoskopie – ohne größere Belastung für den Patienten – ein Schlauch durch die Nase bis in den Schlund eingeführt. „Mit Hilfe gefärbter Götterspeise kann man sehen, ob sich unterwegs etwas ablagert. Dabei muss der Patient verschiedene Geräusche machen.“ Auf diese Weise lasse sich auch prüfen, wie es mit der Tablettenaufnahme bestellt ist. „Bleiben Tabletten hängen und lösen sich auf, können sie zwar nicht in die Lunge gelangen, haben aber auch keine Wirkung.“
Beim Wassertest nach Daniels muss der Patient jeweils zweimal 5, 10 und 20 Milliliter Wasser zu sich nehmen, um zu sehen, ob es zu einem Husteneffekt oder einer veränderten Stimmqualität kommt. Beim Schluckversuch nach Suiter und Leder müssen 90 Milliliter ohne Unterbrechung getrunken werden.
„Wer unter Schluckstörungen leidet, sollte bei Speisen keine Konsistenzen mischen, sich aufs Essen konzentrieren, aufrecht sitzen und den Kopf eher nach vorne neigen“, beschreibt der Chefarzt einige Maßnahmen. Außerdem sollte der Patient nach jeder Mahlzeit 20 Minuten aufrecht sitzen bleiben und den Mund gründlich reinigen.
Zur Therapie stehen Stimulationstechniken und tonusregelnde Maßnahmen zur Verfügung, das Erlernen von Schlucktechniken sowie gezielte Methoden zur Verbesserung der Muskulatur, die am Schlucken beteiligt ist. Wichtig sei auch eine optimierte Körperhaltung und -spannung.
Auch mittels Pharmacotherapie lasse sich der Schluckvorgang etwas beeinflussen. So
gebe es Medikamente, Injektionen und andere Methoden, um Aspirationspneumonien vorzubeugen, Schluckauf, vermehrtem Speichelfluss, starker Verschleimung, Mundtrockenheit, Reflux und Bewegungsstörungen der Speiseröhre entgegenzuwirken.
In seltenen Fällen könnten chirurgische Eingriffe im Bereich des Rachens oder der Speiseröhre vorgenommen werden.
Bei schweren Dysphagien komme eine Sondenernährung in Betracht, per Nasensonde, PEG-Sonde (durch die Bauchdecke in den Magen) oder Direktpunktion des Dünndarms.
Im Rahmen einer parkinsonspezifischen Therapie lasse sich die bestehende Medikation anpassen und in Form löslicher Medikamente oder über PEG verabreichen. Auch die Umstellung auf Rotigotinpflaster komme in Frage, ebenso Apomorphin (Pen / Pumpe) als Ergänzung der oralen Medikation oder die Duodopa Pumpe als deren Ersatz.